Liebe spielen
Lustspiel - in 7 Teilen
Theaterstücke
Frühe Stücke:
Der Blumengarten (vor 1971)
Wer hat den Längsten?
(1974/75)
Das Glockenspiel im schwarzen Palast (1974)
Die Einweihung des öffentlichen Waisenhauses (1976)
Eine Blutwurst für King Kong (1978)
Schlag mich, peitsch mich, süsser Löwe (1978)
Stück ohne Titel (1979)
Liebe Spielen (1979/80)
Die letzte Hoffnung (Libretto, 1976)
Späte Stücke:
Sterns Stunden (1981)
Aus böhmischen Dörfern
Die Reise zum Mond
Kambek
Zwischen dem Kuss und Wiesersehen
Traiskirchen (1988)
Ein Neger mit Gazelle
Drei Sterne über dem Baldachin
Die Engel von Hollywood (Dramatisierung 1989/90)
Im Schatten der Büsche (1991/92) - Manuskript-Fragment
 

 

Jahr 1980
Copyright Daniel Corti
Personen 2D / 2H
Ort der Handlung die Wohnhalle im Haus von Nathalia und Moritz
Zeit der Handlung Gegenwart

Personen:

Natalia, 35
Moritz, 33
Der Hausfreund, 43
Die Haushaltshilfe, 25

 

Über das Stück

Zwar scheints nicht so, aber man spielt nicht mit der Liebe in diesem Stück: die Liebe des Ehepaares, die Loyalität der Haushalthilfe, die Freundschaft des Hausfreundes sind selbstverständlich da. Aber sie sind nicht unbedingt auch bewusst. Es scheint sogar, dass diese Gefühle der Zuneigung wanken, denn Nathalia möchte dauernd Beweise des Geliebtseins erhalten in einer Situation, wo das gar nicht nötig ist, so dass sie dafür dauernd neue Voraussetzungen des Nichtgeliebtseins schaffen muss. Zweifel, Verstellung, Zuweisung von Rollen, Verwirrung, Rücksichtslosigkeit und grosse Phantasie sind ihre Mittel. Aus Liebe zu ihr macht Moritz das Spiel der Versicherung und der Bewusstwerdung mit, weshalb ebenso Verunsicherung und Nichtwissen hinzukommen. Es ist vielleicht sogar die Heilung von ihrer Angst, nicht geliebt zu werden. Im Theaterstück erhält alles seine Ordnung durch die sieben Wochentage.

Sonntags ist der "Wahrheitstag". Vielleicht hat Moritz ihn sich ausbedungen.

Montags spielt Nathalia ihre Haushalthilfe mit Moritz, am "Liebes-Montag". Plötzlich ist sie wieder Nathalia. Für kurze Momente leuchtet im Stück jeweils die Wahrheit auf, wie als Versicherung, dass sie noch existiert, aber auch als Orientierungs-Markierung für noch weiter gehendes Spiel.

Dienstags kommt die Hauhalthilfe putzen. Sie wird von Nathalia für bestimmtes Verhalten gegenüber Moritz engagiert. Erst als Nathalia sich entfernt, können sie ohne Rücksicht auf deren Spiel miteinender sprechen, was von dieser jedoch belauscht und sogleich zu einer weiteren Spielrunde umfunktioniert wird. Abgesehen von einer Vase und einem kurzen Mini-Rock kommt das ganze Spiel im Spiel ohne Requisiten aus und ist also rein optisch umso undurchdringlicher.

Mittwochs erscheint Samuel, mit dessen früheren Gefühlen für sie Nathalia zu spielen beginnt. Er bringt die Mitteilung, er habe aus einer Kulturzeitschrift erfahren, dass die damals nach Vermutung von Nathalia und Moritz billig erstandene Vase, sein Hochzeitsgeschenk, sehr wertvoll sei... Diese Vase mit den Endlos-Mustern und das sie Berühren, innen oder nur aussen, haben von Anfang an symbolischen Charakter. Staubig ist sie in all den Jahren geworden, Blumen standen nie drin, aber jetzt wird sogar nach einer Signatur und einem nicht vorhandenen kleinen Riss am Fuss gesucht. Und die Geste des Sich Abwendens ist Zeichen von wahrer Betroffenheit, momentane Fassungslosigkeit, wo das Spiel die Wirklichkeit berührt und wo es für einen Moment unterbrochen ist. Das sich Begegnen im dunklen Flur und die plötzliche Stille danach erwähnen mehrere.

Donnerstags muss Moritz für Nathalia die Rolle des nicht erschienen Samuel spielen.

Freitags kommt Samuel zu Besuch, Nathalia spielt ihre Haushalthilfe, dann reaktiviert sie seine Vorgeschichte als ihr Verehrer und schlägt ihm vor, doch “als ihr Mann” ihr zu sagen, was er sonst nicht wagen würde. Das tut beiden gut, und es ist aber auch schon vorbei und nun abgeschlossen, als Moritz kommt, der zuerst ungläubig von seinem nun ungetrübten Glück erfährt, wie im Märchen. Später kommt die Haushalthilfe im gleichen Mini-Rock wie ihn Nathalia schon trägt, und bringt rein durch ihre Anwesenheit Nathalias Geborgenheit und Sicherheit schon wieder ins Wanken. Diese zieht sich zurück, Moritz folgt, um sie zu beruhigen. Ihr Gefühl scheint also doch in einer Endlosschlaufe zu sein. Samuel begegnet der Haushalthilfe zum ersten Mal im Mini-Rock. Sie kommt drauf, dass das Photo von der Vase und der anonyme Artikel von ihm stammen.

Samstags spielt Nathalia ihre Haushalthilfe, Moritz ist er selbst, wie eh, und grübelt, wieso er sich in diese fast gespaltene Persönlichkeit Nathalies verliebt hat und sie weiterhin liebt. Aber kommt es beim Lieben auf Gründe an?

Der Dialog ist gedanklich und sprachlich auf einem derart hohen Niveau, dass es ohne dieselbe geistige Leichtigkeit zu besitzen kaum möglich ist, dem Gang durch das komplexe Gedanken-Labyrinth der Gefühle zu folgen. Nicht dass äusserlich und optisch theatralisch wirksam nichts geschieht, aber die Hauptsache liegt in den immer neuen Versuchen Nathalias, der ihr bedrohlich scheinenden Gefahr von Langeweile, ja Verlassenheit und Leere in der reiner Liebe zu entgehen und alle anderen Gefühle ebenso kennen zu lernen, durch Erfindungen von Fallen und Hineintappen in sie. Ob sie und die anderen nun spielen oder nicht wird dem Zuschauer oft erst im Nachhinein aufgedeckt. Er ist in's Verwirrspiel einbezogen, und einzig Nathalias und Moritz' Umarmungen und Küsse zwischendurch zeigen, dass nichts verloren ist, sondern sogar erschaffen wird.
(Daniel Corti)

«Ein Gedankenspiel um Liebe und Eifersucht. Moritz und seine Ehefrau Nathalia denken sich Verhältnisse mit dem Hausmädchen und dem Hausfreund aus, um so - im Spiel - die Echtheit ihrer Gefühle zueinander zu testen. Liebe deformiert sich dabei vom Gefühl zum Einfall, zum Gedanken, zur Vorstellung, zum Traum.»
(Felix Bloch Erben-Zeitung)

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Liebe Spielen

1. Teil: Sonntag

Natalia schaut in eine grosse Stehvase. Wenn sie Moritz kommen hört bzw. sieht, taucht sie einen Arm hinein, als würde sie etwas suchen. Wenn Moritz eintritt, zieht sie den Arm aus der Vase heraus und betrachtet die Hand, mit welcher sie das Vaseninnere berührt hat.

Natalia Wie schmutzig es hier ist!
Moritz Was sagst du?
Natalia Ach- du bist es!
Moritz Hast du etwas gesagt?
Natalia Nur was für mich.
Moritz Aber warum hast du es dann laut gesagt?
Natalia Wie kann ich es dir sagen, da du nur fragst, um vorzutäuschen, du wissest es noch nicht? Um dich nicht blosszustellen, will ich lieber schweigen.
Moritz Jetzt ist alles gesagt.
Natalia Wie schnell es ging!

Moritz küsst Natalia s schmutzige Hand.

Natalia Pass auf! Deine Lippen!
Moritz Sind sie etwa spröde?
Natalia Meine Hand ist schmutzig... voll Staub...völlig verdreckt...!
Moritz Ich danke dir.

Er lässt Natalia s Hand fallen.

Natalia Aber wofür denn?
Moritz Dass du mich glauben machen wolltest, du wüsstest nicht, dass meine Lippen gerade den Staub an deiner Hand begehren.

Natalia küsst Moritz auf die Lippen.

Natalia Du sprichst mit mir so offen heute!
Moritz Es ist Sonntag. Unser Wahrheitstag.
Natalia Tatsächlich! Wie die Zeit vergeht! Es ist schon wieder eine Woche her! Was sich alles verändert hat!
Moritz Bei dir auch?
Natalia Ich spreche nicht von mir. Siehst du? Die Staubschicht in der Vase ist dicker geworden. Die Toiletten funktionieren nicht, Ratten laufen umher, die Fensterscheiben sind kaputt. Sogar das Telefon ist verstummt.
Moritz Jetzt übertreibst du aber ein bisschen.
Natalia Doch nur um es dir leichter zu machen. Damit all das, was mich nach deiner Meinung vielleicht verletzen könnte, obwohl du doch weisst, oder sogar fürchtest, dass es mich nicht verletzen kann, verglichen mit meinen Uebertreibungen als etwas Harmloses, Unbedeutendes, nicht Erwähnenswertes erscheint. Etwas, was du mir ruhig sagen kannst.
Moritz Aber braucht es denn wirklich Ratten dazu, damit das, was ich dir
zu sagen habe, durch diesen Vergleich für dich etwas weniger schlimm
ausfällt?
Natalia Ich habe es doch nur für dich gesagt. Mir schien, dass du die Verletzung in ihrer Grösse überschätzt und deshalb zögerst, sie mir zuzufügen.
Moritz Seltsam: ich kann mich so gut in dich hineinfühlen, dass ich jetzt auf einmal selber finde, du übertreibst gar nicht so sehr.
Natalia Du willst mir doch nicht unterstellen, ich übertreibe nicht? Ich sagte dir doch, dass ich lieber schweigen möchte.
Moritz Und ich dachte, du hast es aus Rücksicht auf mich gesagt, damit ich nicht zugeben muss, dass ich weiss, warum du es hier so schmutzig findest.
Natalia Du glaubst doch nicht, ich hätte es aus Angst gesagt, damit du es nicht zugibst. Ich wüsste nicht, wovor ich mich fürchten sollte.
Moritz Ich kann mich noch erinnern, welcher Schock es für dich war, als wir in Venedig waren, bei der Akademie eine tote Ratte zu entdecken. Wie du da geschrien hast!
Natalia Was hat die Ratte damit zu tun?
Moritz Du hast doch angefangen, von Ratten zu sprechen.
Natalia Aber doch nicht von toten!
Moritz Wie sehr du sie doch hassen musst, dass du sie mit einer Ratte vergleichst, um den Gedanken an sie durch die Vorstellung von etwas noch Schlimmerem besser ertragen zu können.
Natalia Wenn ich jetzt nur fähig wäre vorzutäuschen, diese Person nur ein wenig nicht mögen zu können! Wie sehr müsste es dich doch freuen, der du auch nur um den falschen Anschein meiner Eifersucht so rührend betteln kannst. Aber du weisst: ich kann nicht lügen. Ich wollte dich über meinen Ekel vor dem Schmutz nicht sprechen hören, einzig um dir die Enttäuschung zu ersparen, dir antworten zu müssen, wie sehr alles, was du von mir vermutest, nur dein Wunsch ist.
Moritz Aber du scheinst schon genauestens zu wissen, was ich von dir vermute. Du verteidigst dich, ohne eigentlich zu wissen, wogegen du dich noch zu verteidigen haben wirst. Oder tust du nur so ängstlich mir zu Liebe?
Natalia Kannst du dir nichts anderes vorstellen, als dass ich Angst habe, dich an sie zu verlieren? So sehr willst du von mir geliebt werden? So sehr liebst du mich also noch?
Moritz Du widerlegst doch nicht nur deshalb die mir von dir vorher unterstellte Meinung, du habest Angst, mich an deine Haushaltshilfe zu verlieren, weil du etwa Angst hast, ich könnte es nicht meinen?
Natalia Aber du meinst es doch?
Moritz Ja.
Natalia Und ich habe Angst.
Moritz Angst, mich zu verlieren?

Natalia berührt die Vase von aussen.

Moritz Oder hast du Angst, ich könnte es dir nicht mehr glauben?
Natalia Was? Was redest du? Welche Angst? (lacht) Wo waren wir?

Moritz berührt das Vaseninnere.

Natalia Jetzt weiss ich es wieder! Deine Geliebte! Wir haben von deiner Geliebten gesprochen, von meiner Haushaltshilfe. Erzähl! Seit wann triffst du sie? Sprecht ihr über mich? Ist es schön mit ihr? Nein, sag nichts. Ich will es gar nicht wissen. Es interessiert mich nicht. Ich dachte nur, wenn ich sage, dass es mich nicht interessiert, könntest du meinen, es interessiere mich mehr, als ich zugeben möchte. Natürlich, sie hat vergessen, in der Vase den Staub abzuwischen. Dabei weiss sie, wie sehr ich an der Vase hänge. Sie hat es nicht etwa absichtlich gemacht? Das wäre zu dumm. Andererseits wollte sie vielleicht, dass ich sie dumm finde, damit es für mich leichter ist, mich ihr überlegen zu fühlen. Als würde ich das Ueberlegenheitsgefühl überhaupt brauchen! Was bildet sie sich ein? Und wenn ich es auch brauchen würde, wie sehr muss sie mich doch unterschätzen, es mir auf eine so durchschaubare Weise ermöglichen zu wollen? Wie man es auch dreht: sie ist dumm!
Moritz Aber du weisst doch, dass ich sie nicht treffe, um festzustellen, dass du klüger bist.
Natalia Aber sie hat die Ansprüche! Wischt den Staub nicht ab, um mich zu überlisten! Sie muss mich wirklich hassen.
Moritz Im Gegenteil. Sie hat den Staub nicht abgewischt, weil sie keine Zeit mehr dafür hatte. Ich hoffe, du verstehst es richtig: sie dachte nicht an dich. Wenn sie dich mit mir mit dem Gedanken an dich betrogen hätte, hätte sie den Staub sicher abgewischt. Aber sie hat dich nicht einmal bewusst betrogen, um dir durch die Verdeckung des Betrugs zeigen zu können, dass auch für sie es ein Betrug war. Ich glaube, sie mag dich.
Natalia Das glaube ich nicht.
Moritz Das kannst du gar nicht glauben.
Natalia Es würde dir doch Freude machen, wenn ich es nicht glauben könnte?
Moritz Aber wenn du mir damit nur Freude machen willst, warum sagst du es mir dann? Welche Freude bleibt mir dann noch ausser der, dass du es vielleicht nicht nur deshalb gesagt hast, um mir damit Freude zu machen?
Natalia Aber ich glaube es. Ja: sie mag mich. Aber auch wenn ich nicht wüsste, dass du es mir nur deshalb sagst, um damit mein Selbstvertrauen zu erschüttern - es ist in der Tat ein erschütternder Gedanke, als Betrogener in den Gedanken der Betrügenden nicht vorhanden zu sein - wenn ich es also auch nicht wüsste und annähme, dass sie mich wirklich mag, glaube mir, es würde mich freuen. Es würde doch nur bedeuten, dass sie sich nicht anmasst zu hoffen, dass ich ihr böse sei. Nur weil ihr euch einmal in der Woche trefft! Ich glaube, man kann mich nicht mehr hassen, als sich zu wünschen, ich sollte deswegen böse sein. Wie wichtig sich so jemand finden muss! Wegen einer Affäre, die ich dir ja noch dazu von ganzem Herzen gönne, wegen einer solchen Lappalie sollte ich ihr böse sein? Nichts würde mich mehr ärgern, als wenn sie meinte, ich könnte nur einen Gedanken, nur eine kleine Empfindung an sie verschwenden. Ich denke gar nicht an sie, und gerade das macht sie mir sympathisch. Ich kann mir sogar vorstellen, dass ich sie mögen könnte, wenn sie nicht diese unerträgliche Unart besässe,- eine böse Absicht kann ich darin beim besten Willen nicht erblicken, dafür ist sie wirklich zu dumm - sich mir bei jeder Gelegenheit in Erinnerung zu rufen. Zum Beispiel die Sache mit dem Staub. Sie ist doch meine Haushaltshilfe, ich bezahle sie, sie betrügt mich, warum wischt sie dann den Staub nicht ab? Doch wohl nur deshalb, damit ich mich an sie erinnern muss so wie man sich auf den eigenen Körper besinnt, erst wenn man krank ist. Und ist es vielleicht keine Krankheit, was hier passiert? Staub in der Vase, Zierkissen auf falschem Platz, eine zerbrochene Tasse im Abwaschbecken: ich muss ständig daran denken, dass ich eine Haushaltshilfe habe, die ich bezahle und die mich betrügt. Ich habe sie doch nicht deshalb angestellt, damit sie mich durch die Unterlassung ihrer Pflichten ständig daran erinnert, dass ich sie angestellt habe. Ich will von ihr nichts wissen. Warum sieht sie es nicht ein? Dass sie mit dir ein Verhältnis hat, berechtigt sie noch keineswegs dazu, von mir auch wahrgenommen zu werden. Und das will sie doch. Ich möchte dir nicht zu nahe treten, ich weiss, wie du - nur schon meinetwegen - an diesem Verhältnis hängst, aber ist dir noch nie in einem der seltenen Momente des objektivierenden Selbstzweifels - wie unser Freund Samuel sich ausdrücken würde - der Gedanke gekommen, dass sie das Verhältnis mit dir angefangen hat, um sich mir bemerkbar zu machen?
Moritz Ich habe das Verhältnis mir ihr angefangen.
Natalia Aber sie hat es provoziert. Ich habe gesehen, wie sie sich gebückt hat, als sie die Vase geputzt hat. Und du hast hingeschaut.
Moritz Im Gegenteil. Du hättest ihre Ueberraschung sehen sollen, als ich sie gebeten habe, zum Putzen der Vase den kurzen Rock anzuziehen.
Natalia Aber woher wusstest du denn, dass sie einen solchen Rock hat?
Moritz Weil ich ihr den Rock gekauft habe.
Natalia Auf ihren Wunsch?
Moritz Sie hat doch keine Wünsche. Sie wusste zuerst gar nicht, was sie damit anfangen sollte.
Natalia Du meinst, sie tat so, als wüsste sie es nicht.
Moritz Hältst du sie wirklich für so klug?
Natalia Das ist doch nicht klug. Das ist nur schlau.
Moritz Ich habe sie gebeten, den Rock anzuziehen, indem ich ihr sagte, du habest es gewünscht.
Natalia Ach!

Natalia beugt sich über die Vase. Moritz berührt sie von hinten. Natalia dreht sich um, umarmt ihn und lässt ihn sofort wieder los.

Natalia Du hast es also nur für mich getan? Weil du wusstest, dass ich sehen würde, wie du ihre Beine anschaust, oder sogar- du schautest ihre Beine an, damit ich es sehe?
Moritz Ja.
Natalia Du wolltest mich eifersüchtig machen?
Moritz Aber ja. Selbstverständlich.
Natalia Wie lieb du auf einmal bist! Wie lieb..!

Natalia will Moritz küssen, hält aber inne und wendet sich ab.

Natalia Ach! Mich eifersüchtig machen... tatsächlich: als du es zugabst, stieg etwas in mir auf, was dem Gefühl der Liebe zum Verwechseln ähnlich war.

Moritz nähert sich ihr, als wollte er sie küssen.

Natalia Nein! Schon weg! Es verschwand fast gleichzeitig mit dem Aufkommen, aber eben nur fast, als dass ich nicht hätte so tief abstürzen müssen. Als du zugabst, mich mit dem Anschauen ihrer Beine eifersüchtig machen zu wollen, wie ich mich da freute! Wie über eine Liebeserklärung! Aber zugleich, und doch verzögert durch die Freude, zeitlich gehandicapt -wie unser Freund Samuel sagen würde- erfasste mich deine bodenlose Bosheit, ja, sie erdrückte mich beinahe. Deine Einbildung von meiner Eifersucht mit einem Schlag vernichten, wie kannst du das nur wollen?! Du liebst sie doch nicht auf einmal etwa wirklich, dass du dir mich nicht mehr eifersüchtig vorstellen magst? Hast du vielleicht Angst, ich könnte eifersüchtig werden?
Moritz Wenn das so wäre: was könnte deine Eifersucht erfolgreicher verhindern als meine Erwartung, dass du sie spielst?
Natalia Dann war es also doch nicht....?
Moritz Ich liebe dich.
Natalia Ich liebe dich auch.

Sie berühren die Vase, sie küssen sich.

Dunkel

[...]

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Bild: Bohdan Holomíček
 
 
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